Jüdisches Leben in Brandenburg

Im Jahr 2021 leben Jüd*innen nachweislich seit 1700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Dieses Jubiläum wird mit den verschiedensten Veranstaltungen gefeiert. Ziel des Festjahres ist es, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen und dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. 1700 Jahre Geschichte zeigen uns, wie wichtig der Blick in die Vergangenheit ist. In den Grenzen des heutigen Bundeslandes Brandenburg gab es in all dieser Zeit in den meisten Orten jüdische Gemeinden, kleinere Niederlassungen oder zumindest einzelne jüdische Familien. Seit dem Spätmittelalter bis in die 1930er-Jahre bestanden in etwa 50 Städten und Gemeinden eigene Synagogen oder Beträume in Wohngebäuden, jüdische Friedhöfe wurden für die gesamte Zeit sogar 60 gezählt. Die über 1100 verlegten Stolpersteine, von denen die meisten für Jüd*innen verlegt wurden und die dahinterstehenden Biografien stehen symbolisch für diese lange Geschichte und die Präsenz des Judentums in vielen Orten von Brandenburg.

Anfänge im 13. Jahrhundert

Nachweislich beginnt die jüdische Geschichte in Brandenburg im 13. Jahrhundert, auch wenn schon im 8. Jahrhundert erste Niederlassungen von Juden im Gebiet der Mark Brandenburg vermutet werden können. Das älteste erhaltene Zeugnis jüdischen Lebens seit der Gründung der Mark durch Albrecht den Bären am 3. Oktober 1157 ist ein Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Spandau und stammt aus dem Jahr 1244. Für 1309 gibt es Belege für Juden in Prenzlau und Templin, 1313 für Brandenburg an der Havel und 1319 für Guben. Die erste bekannte Synagoge befand sich seit 1322 in der Stadt Brandenburg. Für die dort lebenden jüdischen Familien gab es auch einen eigenen Friedhof, südöstlich der Stadtbefestigung. 1343 gibt es die erste Erwähnung einer jüdischen Familie in Rathenow, im Jahr 1400 in Eberwalde. Als Folge der Pest von 1348/49 kommt es auch in der Mark Brandenburg zu falschen Anschuldigungen, Verfolgungen und Vertreibungen. Wie viele Menschen starben oder fliehen mussten, ist nicht belegt. Im Jahr 1420 erneuerte Friedrich I. dann ein altes Privileg, welches den Juden wieder Pfandleihe und Handel erlaubte. Sein Nachfolger Friedrich II. konfiszierte 1446 das Vermögen der Juden und vertrieb sie aus der Mark. Kurz danach, um 1448, werden Juden erstmals in Cottbus erwähnt. In den folgenden Jahren kommt es immer wieder zu Ansiedlungen aus wirtschaftlichen Gründen und anschließenden Vertreibungen. 1510 kommt es sogar zu einem Hostienschändungsprozess gegen die märkischen Juden in Berlin, welcher mit der Hinrichtung von 39 Juden und der dritten Ausweisung aller übrigen Juden aus der Mark endet.

Edikt von 1671 als Neubeginn

Mit dem Jahr 1671 beginnt für die Juden in Brandenburg-Preußen ein neues Kapitel. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte sich dazu entschlossen, 50 vertriebene, wohlhabende, jüdische Familien aus Wien in den vom Dreißigjährigen Krieg entvölkerten Landstrichen anzusiedeln und die Regionen wirtschaftlich zu (re)aktivieren. Drei Jahre später gibt es schließlich die erste Nennung von jüdischen Einwohner*innen in Bad Freienwalde und 1677 die erste urkundliche Erwähnung von Juden in der Stadt Wriezen. Obwohl die jüdische Bevölkerung in der Mark Brandenburg immer noch in vielen Bereichen eingeschränkt war, wurden sie mit dem Erlass des Potsdamer Toleranzediktes von 1685 zu gleichberechtigten Bürgern. 1699 wurden erstmals Juden zum Studium an der 1506 gegründeten Viadrina Universität in Frankfurt an der Oder zugelassen. Mit der Gründung des Königreichs Preußen 1701 und der Königskrönung Friedrich I. wird die Mark zur Verwaltungseinheit „Provinz“. In den folgenden Jahren wurden durch Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. weitere Judenreglements für Preußen erlassen, die die jüdischen Ansiedlungen einschränkten und die steuerlichen Abgaben der Juden ausweiteten. Das Judenreglement von 1700 verbot den Juden den Häuserkauf und bestätigte die Handelsbeschränkun gen, auch unter dem Druck der christlichen Kaufmannschaft. Seit 1714 wurde der Häuserkauf wieder erlaubt, sogar das Halten offener Läden, doch war der Schutzbrief nur an den ältesten Sohn vererbbar; zwei weitere Söhne konnten ihn gegen hohe Summen erlangen. Die übrigen Söhne mussten unverheiratet und damit kinderlos bleiben oder auswandern. Außerdem hatten die preußischen Gemeinden jährlich 15.000 Taler abzuführen, an den Zollschranken war der erniedrigende, sonst nur für Vieh übliche Leibzoll zu entrichten. Erst nach Friedrichs II. Tod wurde er abgeschafft. Das Generaljudenreglement von 1730 beschränkte die Zahl der jüdischen Familien in Berlin auf 100, 1737 wieder auf 120 zuzüglich 250 Diener. Als solche tarnten sich nun häufig Zuwanderer. Nichtzünftige Handwerke wurden verboten, ebenso das Hausieren. Die Judenpolitik der Herrschenden dieser Jahre war deutlich geprägt von dem Anliegen, dem Königreich neue Finanzquellen zu erschließen. Besonders das Revidierte General-Privileg aus dem Jahr 1750, eine landesherrliche Judenordnung von König Friedrich II. und die damit verbundene Porzellansteuer, also der Zwangserwerb von Porzellan aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) für 300 bzw. 500 Taler, führten zur Verschuldung der jüdischen Gemeinden in Brandenburg. Wie schon das vorangegangene Genraljudenreglement von 1730 zielten die Regelungen auf eine zahlenmäßige Begrenzung der jüdischen Bevölkerungbei gleichzeitiger Ausnutzung der Wirtschaftskraft und Erhöhung der Steuerleistungen ab. Mit dem Revidierten General-Privileg zwanzig Jahre später, wurden die preußischen Juden anschließend in sechs Klassen mit unterschiedlichem Niederlassungsrecht eingeteilt. Die meisten der 4716 brandenburgischen Juden lebten auf dem Land oder in kleinen Städten, wie Schwedt oder Luckenwalde. In beiden Orten werden Juden urkundlich erstmals 1730 und 1735 erwähnt. Nur wenigen reichen Familien war es überhaupt erlaubt, in größeren Städten wie Berlin, Frankfurt/Oder, Brandenburg/Havel oder Potsdam zu leben.

Blütezeit am Beispiel der Potsdamer Gemeinde

Die Anfänge einer ersten jüdischen Gemeinde in Potsdam lassen sich auf den Zeitraum von 1730 bis 1750 datieren. Da das Generaljudenreglement den Juden neben einigen Einschränkungen bessere Möglichkeiten für Geld- und Kredithandel sowie Manufaktur-Neugründungen bot, verbindet sich der Beginn des jüdischen Gemeindelebens mit einem Aufschwung der Textilindustrie in Potsdam. Angefangen mit dem Samt- und Seidenfabrikanten David Hirsch, welcher ab dem 17. Januar 1731 in Potsdam ansässig war, kamen immer mehr jüdische Unternehmer mit ihren Familien nach Potsdam. Die Gemeindegründung wird um 1740 vermutet, dafür sollen sich in dieser Zeit mindestens zehn jüdische Männer versammelt haben. Ein belegbares Gründungsdatum gibt es allerdings nicht. Die sich entwickelnde Gemeinde konnte ihre Toten ab dem 28. Oktober 1743 auf einem eigenen Friedhof, gelegen am heutigen Pfingstberg, beerdigen. Zuvor mussten die Verstorbenen in Berlin beigesetzt werden, in einem Fall ist die Beerdigung in Beelitz nachgewiesen. Im Jahr 1760 bekam die Gemeinde ihren ersten eigenen Rabbiner. Der aus Polen stammende Jechiel Michel (auch: Michel Hirsch), wird erstmals anlässlich einer jüdischen Trauung erwähnt. Die Gottesdienste fanden zu dieser Zeit in einem Privathaus in der Kleinen Jägerstraße (heute: Wilhelm-Staab-Straße) statt. Die Gemeinde richtete eine Mikwe ein und stellte eine Badefrau, einen Gemeinde-Lohndiener und einen Totengräber an. In Erinnerung an das erste Gemeindehaus in der Plantagen Quergasse wurde die Straße 1786 in “Ebräerstraße” umbenannt. Wenige Jahre später konnte die Gemeinde ihren ersten eigenen Synagogen-Neubau an der Plantage 1 (heute: Platz der Einheit) eröffnen. Die Eröffnung fand am 18. Dezember 1767 in Anwesenheit des Prinzen, dem späteren König Friedrich Wilhelm II., und der Prinzessin von Preußen statt. Zur Eröffnung hatte die Potsdamer Gemeinde etwa 170 Mitglieder, darunter 34 Männer, 36 Frauen sowie deren Kinder. Damit war ca. ein Prozentder Potsdamer Gesamtbevölkerung jüdisch. Der Rabbiner Jechiel Michel starb im Jahr 1777, danach hatte die Gemeinde lange Zeit keinen gewählten Rabbiner und musste mit Vertretungen und Unterstützung aus Berlin auskommen. Auch der Bauzustand der Synagoge bereitete der Gemeinde Probleme. König Friedrich Wilhelm II. unterstützte schließlich einen neuen frühklassizistischen Bau, der im September 1802 eingeweiht werden konnte. Als Dank brachte die Gemeinde über dem Aron haKodesh den preußischen Adler mit den Initialen “FWR” an.

Emanzipationsedikt von 1812

Das 1812 erlassene Edikt machte die männlichen Juden zu preußischen Staatsbürgern mit gleichen Rechten und Pflichten, damit einhergehend wurden sie aufgefordert Familiennamen anzunehmen. Eine im Amtsblatt veröffentlichte Liste von 1814 gibt Auskunft, dass der Gemeinde in Potsdam 70 Familien mit etwa 300 Personen angehörten. Insgesamt lebten 1816/17 in der Provinz Brandenburg etwa 8000 Juden, damit machten sie einen Anteil von 0,7% an der Gesamtbevölkerung aus. Durch das Edikt von 1812 konnten sie nun entscheiden, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnen wollten und die männlichen Juden konnten akademische Schul-, Lehr- und Gemeindeämter annehmen. In den folgenden Jahren wurden einige Rechte aber wieder eingeschränkt und Restriktionen erlassen. Das Gesetz über die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 1847 forderte die Juden zur Gründung von Synagogengemeinden auf. Die Gemeinde in Potsdam erhielt daraufhin 1850 Korporationsrechte, welche ihr erlaubte, als juristische Person z.B. in Verträge einzutreten und Eigentum zu erwerben. Bis dahin hatte die Gemeinde den Status einer “erlaubten Gesellschaft”. Im Revolutionsjahr 1848 stieg die Zahl der Juden in Brandenburg durch das Bevölkerungswachstum auf knapp 20.000 an. Ihre Rechte wurden 1869 weiter gestärkt, als der Norddeutsche Reichstag unter Führung Preußens und 1871 nach Bildung des Deutschen Reiches der gesamtdeutsche Reichstag die bürgerliche Gleichstellung der Juden zum Gesetz macht. Durch die neuen Gesetze wanderten viele Juden aus Brandenburg aus, Synagogenstandorte wurden aufgegeben und die Gemeinden in den Städten wuchsen weiter an. Zuvor hatten etwa 6000 preußische Juden am deutsch-französischen Krieg teilgenommen. In diesen Jahren beginnen die Juden in der Mark Brandenburg mit der Gemeinwesenarbeit, so eröffnet 1899 das “Jüdische Erholungsheim Lehnitz” für mittellose Mütter und ihre Kinder, welches später als jüdisches Kindererholungsheim und Erwachsenenbildungsstätte genutzt wurde und seit 1908 gab es ein jüdisches Kinderheim in Beelitz, welches ebenfalls als Bildungseinrichtung international angesehen war.

1900-1949 Entrechtung und Vernichtung

Der moderne, Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Antisemitismus war eine feindliche Reaktion auf die zunehmende Assimilation der Juden in Deutschland. Der “Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens” versuchte diesen abzuwehren. Rund 12000 jüdische Soldaten starben in den Jahren des Ersten Weltkriegs auf Seiten der Deutschen. Die antisemitisch motivierte “Judenzählung” vom 1. November 1916 sollte beweisen, dass die Juden “Drückeberger” waren und auch an der Niederlage Deutschlands sollte den Juden Schuld gegeben werden. Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft am 30. Januar 1933 und dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April des gleichen Jahres nahm die Bedrohungslage der Jüdinnen und Juden immer mehr zu. Als jüdische Antwort auf die Verdrängung und Verfolgung der Deutschen wächst neben der Assimilationsbewegung auch die zionistische Bewegung. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Berlin zum Zentrum der Bewegung und auch in Brandenburg wurden bereits seit den 1920er Jahren sogenannte Hachscharalagern u.a. bei Rathenow, Fürstenwalde, Neuendorf und Ahrensdorf gegründet.

Dort sollten jüdische Jugendliche und junge Erwachsene auf die Auswanderung nach Palästina, Argentinien oder in andere Länder vorbereitet werden, um dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen. Man übte sich in kollektiven Lebensformen und erlernte einen landwirtschaftlichen, gärtnerischen oder handwerklichen Beruf. Auch das Erholungsheim in Lehnitz wird 1935 eine überregional bedeutsame Institution jüdischer Sozialarbeit. Mit dem Erlass der “Nürnberger Gesetze” am 15. September 1935 wurden den Juden sämtliche politischen und staatsbürgerlichen Rechte entzogen. Die Gesetze gelten als Vorstufe der systematischen Ermordung von rund 6 Millionen europäischer Jüdinnen und Juden. Als Folge der Novemberpogrome drei Jahre später kam es 1939 zu einer großen Fluchtwelle in Brandenburg entweder nach Berlin oder ins Ausland. Nur noch etwa 4000 Juden befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Provinz Brandenburg. Laut der Bevölkerungsstatistik vom 01. Januar 1939 lebten nach nationalsozialistischer Zählweise und damit rassistischer Kategorisierung bspw. in Potsdam noch 77 Juden und 98 Jüdinnen. Die Potsdamer Synagogengemeinde verlor am 30. April 1940 ihren Status als “Körperschaft des öffentlichen Rechts” und wurde zum “eingetragenen Verein” herabgestuft. Ab dem 15. September 1941 mussten auch die Potsdamer Juden und Jüdinnen den sogenannten “Judenstern” tragen. Die Gemeinde konnte sich nur noch in der Wohnung von James Gersmann, einem der damaligen Gemeindevorsitzenden, versammeln. Am 11. Januar 1942 wurden weitere 40 Gemeindemitglieder über Berlin in das zerstörte Ghetto Riga deportiert, wo sich ihre Spuren verlieren. Nachdem am 12. Januar 1942 James Gersmann starb, lebten am 6. Oktober 1942 fast alle Gemeindemitglieder in dem jüdischen Altersheim in der Bergstraße 1 (heute: Spitzweggasse) in Babelsberg. Das Heim wurde am 16. Januar 1943 von der Gestapo geräumt und die Bewohner und Bewohnerinnen in Vernichtungslager deportiert. Das letzte lebende Gemeindemitglied, Wilhelm Kann, wurde am 22. Juni 1943 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und ermordet.

Auf der “Wannseekonferenz” am 20. Januar 1942 beschlossen die Obersten des Reichs, der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutzstaffel (SS) die Vernichtung der europäischen Juden und damit die sogenannte “Endlösung der Judenfrage”. Nicht nur wie am Beispiel Potsdam skizziert, sondern auch aus anderen Städten und Gemeinden in Brandenburg, wurden die Juden in Konzentrations- und Massenvernichtungslager deportiert. Im Land Brandenburg wurden Menschen vor allem im Konzentrationslager Sachsenhausen, Ravensbrück, in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel und im Zuchthaus Brandenburg-Görden ermordet. Gleichzeitg gab es eine große Anzahl an Außenlagern, die sich über das ganze Land verteilten. Heute befinden sich an den Orten der Konzentrationslager Mahn- und Gedenkstätten und auch die über 1100 Stolpersteinen erinnern an diese Menschen. Die Außenlager und Orte der Zwangsarbeit sind bisher nicht als Tatorte nationalsozialistischer Verbrechen sichtbar. Nach der Schoah und der Befreiung der Konzentrationslager im Land im April 1945 lebten im Jahr 1946 nur noch 424 Juden in Brandenburg, eine jüdische Gemeinde gab es in dieser Zeit nicht. Auch die Potsdamer Gemeinde existierte fortan nicht mehr, denn das Amtsgericht konnte bis zum 6. April 1949 keine Gemeindemitglieder mehr ausfindig machen und ordnete “die Löschung des Vereins von Amts wegen” an.

Neubeginn nach 1990

Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Jahr 1949 konnte sich in Potsdam keine neue Gemeinde etablieren. Weil das Staatssystem der DDR den Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde nicht förderte, entstanden beispielsweise nur in Ostberlin, Erfurt und wenigen anderen Städten jüdische Gemeinden. Ende der 1980er Jahre kam es in verschiedenen Gebieten der Sowjetunion (UdSSR) vermehrt zu antisemitischen Vorfällen. Viele Juden und Jüdinnen wandten sich hilfesuchend an die wenigen jüdischen Gemeinden in der DDR, mit der Bitte sich dort für Einreiseerlaubnisse einzusetzen. Am 12. April 1990 stimmte das Parlament der DDR der Aufnahme verfolgter Jüd*innen zu. Am 21. März 1991 konnte schließlich die “Jüdische Gemeinde Land Brandenburg e.V.” gegründet werden. Dies bedeutete einen Neubeginn des jüdischen Lebens in Potsdam. Der Großteil der knapp 40 Mitglieder stammte demnach aus der sogenannten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Sie lebten vor allem in Potsdam, Brandenburg an der Havel und in einem Aufnahmelager in Ahrensfelde. Da die “Jüdische Gemeinde Land Brandenburg e.V.” viele Jahre den Landesverband und die Ortsgemeinde Potsdam vertrat, gründeten einige Mitglieder 1996 eine eigene Gemeinde, die “Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam”, welche allerdings erst im Jahr 2000 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Potsdam eingetragen wurde. 1999 gründete sich auch die ultra-orthodoxe “Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg”. Damit existierten in Potsdam zwei jüdische Gemeinden. Insgesamt entstanden in Brandenburg acht Gemeinden, neben Potsdam gründen sich noch Gemeinden in Bernau, Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt an der Oder, Oranienburg und Königs Wusterhausen. In den folgenden Jahren wuchsen vor allem die Gemeinden in Potsdam beständig, sodass es heute allein dort sechs Gemeinden gibt. Der Baustart für die Potsdamer Synagoge soll noch 2021 stattfinden, 1700 Jahre, nachdem jüdisches Leben in Deutschland nachgewiesen ist. Schätzungsweise vertreten die Brandenburger Gemeinden über 1500 Mitglieder. Wie viele Jüd*innen in Brandenburg leben, die sich keiner Gemeinde zugehörig fühlen, ist unklar. Aufgrund schwieriger ökonomischer Lebenssituation wie zunehmender Altersarmut und antisemitischen Anfeindungen verzeichnet das Land Brandenburg seit einigen Jahren wieder einen Wegzug vor allem der jüngeren Jüd*innen nach Berlin. Losgelöst vom Potsdamer Gemeindeleben wurde 1999 das “Abraham Geiger Kolleg” an der “Universität Potsdam” gegründet. Nach der Shoah ist es das erste Institut, an dem eine Ausbildung zu Rabbinern und Rabbinerinnen, sowie zu Kantoren und Kantorinnen, absolviert werden kann. Der Lehrplan ist mit dem Studiengängen der Jüdischen Studien (seit 1994) und der Jüdischen Theologie (seit 2013 an der Uni Potsdam) verbunden.

Autor: Emanuel Neumann

Quellen:

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